Veterinäramt beschlagnahmt gesamten Hundebestand einer Hundezüchterin - vom Sofa in den Zwinger
Mit diesem Beitrag berichten wir heute über einen erneuten brisanten Fall aus unserer Tätigkeit im Bereich Recht rund ums Tier. Seit August 2020 vertreten wir eine Hundezüchterin der Rassen Chihuahua und Zwergspitz. Im Jahr 2018 wurde dieser die Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz für eine gewerbsmäßige Zucht erteilt. Am 24. August 2020 fand sich das Veterinäramt erstmals bei ihr vor Ort ein, durchsuchte ihr Haus und nahm vorab geplant alle ihre Hunde weg. Mehrere Transporter der umliegenden Tierheime warteten bereits vor dem Haus unserer Mandantin, um die Tiere abzutransportieren. Zuvor war es nachweislich zu keinem Zeitpunkt zu Beanstandungen hinsichtlich der Hundezucht oder überhaupt zu einer Kontaktaufnahme durch das Veterinäramt gegenüber unserer Mandantin gekommen.
Bereits einen Tag nach Wegnahme der Tiere hatte die Behörde eine Pressemitteilung herausgegeben und es wurde bereits nach kürzester Zeit in unzähligen Artikeln und Videos verschiedenster Medien über unsere Mandantin berichtet und diese nahezu medial zerrissen. Nachdem nunmehr aktuell erneut einseitig über unsere Mandantin berichtet wurde, ergreifen auch wir für diese das Wort, um ihr nun erstmals auch medial Gehör zu verschaffen.
Derzeit befinden wir uns in zahlreichen behördlichen Widerspruchsverfahren sowie in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren, in welchen wir gegen die unverhältnismäßigen Maßnahmen der Behörde vorgehen.
Heute hat unsere Rechtsanwaltskanzlei ein Interview mit SWR 4 Baden-Württemberg (Region Ulm) zu diesem Fall geführt, über welches wir gerne berichten wollen.
1. Frage der Redaktion:
Wie stehen Sie als Vertreterinnen der Züchterin dazu, dass die Welpen aufgrund von „nicht art- und tierschutzgerechten Bedingungen“ vom Veterinäramt beschlagnahmt wurden?
Wir sind eine Rechtsanwaltskanzlei, die sich auf Fälle rund um Tiere spezialisiert hat. Wir als vertretende Rechtsanwältinnen sind beide selbst Hundehalterinnen und absolute Tierfreunde. Deshalb ist es nach unserer Kanzleiphilosophie auch unsere oberste Priorität, dass der Tierschutz gewährleistet wird.
Dennoch ist zu beachten, dass sich der Bürger hier einer Behörde gegenübersieht, die als Teil der Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist, insbesondere auch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass die Behörde bei den beabsichtigten Maßnahmen gegen Tierhalter stets das mildeste unter gleich wirksamen Mitteln wählen muss.
In einem der medialen Videos, welches von der Behörde initiiert wurde, äußert ein Tierheim Mitarbeiter, dass zum Beispiel das Fell von manchen Tieren struppig gewesen sei. Veranschaulichend gesagt, hätte die Behörde dann nach unserem Dafürhalten als mildestes Mittel unserer Mandantin mündlich oder mittels schriftlicher Verfügung aufgeben müssen, für entsprechende Fellpflege zu sorgen. Hierfür hätte die Behörde unserer Mandantin eine kurze Frist von wenigen Tagen setzen können und die Umsetzung dann kontrollieren müssen.
Die sofortige Wegnahme eines gesamten Hundebestandes stellt das allerletzte Mittel – mithin die sog. ultima ratio - dar, zu welchem eine Behörde greifen darf. Zu der Wegnahme kam es, weil einige wenige Monierungen aus der Bevölkerung bei dem Veterinäramt eingegangen waren. Diese lagen allerdings zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme in Form der sofortigen Wegnahme aller Hunde bereits knapp ein halbes Jahr zurück. Ein Tierheimmitarbeiter äußerte gegenüber der Presse in einem Video, dass die Wegnahme bereits zuvor durch das Veterinäramt geplant und organisiert wurde, um hierfür extra Unterbringungsmöglichkeiten für die Hunde unserer Mandantin in den Tierheimen zu schaffen.
Anstatt die eingegangenen Monierungen unverzüglich zu prüfen, wartete das Veterinäramt knapp ein halbes Jahr zu, durchsuchte dann ohne Durchsuchungsbeschluss das Haus unserer Mandantin und nahm den gesamten Hundebestand fort. Dieses behördliche Vorgehen halten wir für unvertretbar, insbesondere für unverhältnismäßig und damit eklatant rechtswidrig.
Um zu der Ausgangsfrage zurückzukommen: Es wird sowohl in den Verfahren als auch in der Presse immer wieder behauptet, der Zustand der Tiere unserer Mandantin sei tierschutzwidrig. So heißt es in einem Video sogar, die Hunde seien allesamt nur knapp dem Tod entronnen. Aus der uns vorliegenden behördlichen Verwaltungsakte ergibt sich jedoch Gegenteiliges. Insbesondere ergibt sich aus der behördlichen Verwaltungsakte hinsichtlich der allermeisten Hunde, dass kein Verstoß gegen das Tierschutzrecht vorliegt. Aus einem entsprechenden Auszug aus der Verwaltungsakte in Form eines Tieraufnahmebogens wird deutlich, dass sowohl der Pflege-, Allgemein- und Ernährungszustand von dem aufnehmenden Tierheim als ohne besonderen Befund, in Ordnung und unauffällig beurteilt wurde.
Hier findet sich ein Auszug aus der Verwaltungsakte.
2. Frage der Redaktion:
Es wird jedoch immer wieder davon gesprochen, dass einige der Tiere krank sind.
Es ist nicht jeder Hund gesund, gleich ob er von einem Züchter stammt, von einer Privatperson oder aus einem Tierheim. Tierschutzwidrig ist dies jedoch erst, wenn das Tier keine ausreichende tierärztliche Versorgung und Behandlung erhält. Die Hunde unserer Mandantin wurden alle regelmäßig einem Tierarzt vorgestellt. Dieser engagiert sich im Verfahren für unsere Mandantin und äußert sich unter anderem wie folgt:
„Frau Schmitt [Name wurde von unserer Kanzlei geändert] wird seit zwei Jahren durch meine Tierarztpraxis betreut. In dieser Zeit fanden regelmäßige Hausbesuche durch mich und meine angestellten Tierärzte statt. Der letzte Hausbesuch war am 07. August 2020. Während der Hausbesuche wurde stets die Haltung und Gesundheit der Hunde begutachtet. Die Ergebnisse daraus sind gesunde, lebhafte und zutrauliche Hunde und eine einwandfreie Haltung. Des Weiteren ist Frau Schmitt [Name wurde von unserer Kanzlei geändert] eine gewissenhafte und gepflegte Züchterin, die aller größten Wert auf eine gesunde Zucht legt.“
Generell ist in diesem Verfahren die eigeninitiative Beteiligung Dritter immens. Unsere Mandantin wird in dem Verfahren durch eine Vielzahl von Personen, insbesondere von Käufern ihrer Hunde, tatkräftig unterstützt. Diese bescheinigen einstimmig und versicherten sogar an Eides statt unter entsprechender Strafandrohung, dass unsere Mandantin eine liebevolle und fürsorgliche Hundezüchterin ist, die sich mit Hingabe um ihre Hunde kümmert und dass die Hunde für unsere Mandantin wie Familienmitglieder sind.
3. Frage der Redaktion:
Was ist Ihr Ziel? Sollen die Welpen wieder zur Besitzerin gebracht werden?
Unser Ziel ist es, dass der Einzelfall unserer Mandantin beleuchtet und berücksichtigt wird. Im Ergebnis soll sie ihre Hunde bzw. zumindest einen Teil ihrer Hunde zurückerhalten. Ein Teil der Hunde war bereits verkauft oder war bereits reserviert. Aufgrund der Corona-Pandemie und den erheblichen Kontaktbeschränkungen kam es hier aber bei den deutschlandweiten Interessenten zu erheblichen Verzögerungen bei der Abholung.
Nach Rückkehr der Hunde zu unserer Mandantin steht es dem Veterinäramt frei, die Zucht unserer Mandantin regelmäßig zu kontrollieren. Hierzu sind die Veterinärämter bei gewerbsmäßigen Hundezuchten ohnehin berechtigt und verpflichtet. Sollte es dann vor Ort zu etwaigen Beanstandungen kommen, könnte und müsste das Veterinäramt dann entsprechende verhältnismäßige Anordnungen gegenüber unserer Mandantin treffen. Das Handlungsspektrum der Veterinärämter ist hierbei mannigfaltig, beispielsweise besteht die Möglichkeit Anordnungen zur Gewährleistung einer Fellpflege, zum Kürzen von Krallen und zur Vorstellung bei einem Tierarzt zu treffen.
4. Frage der Redaktion:
Was halten Sie von der Länge des Verfahrens, schließlich sind es nun mehr als 7 Monate, dass die Hunde in den Tierheimen untergebracht sind?
Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Verfahren, eine Entscheidung braucht dann auch eine entsprechende Zeit. Zu dieser langen Verfahrensdauer trägt die Behörde jedoch maßgeblich bei, denn es wurden im Verfahren durch diese zwei verschiedene Versionen einer behördlichen Verwaltungsakte vorgelegt. Durch diesen Umstand wurde das Recht unserer Mandantin auf Akteneinsicht und somit auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes sowie Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Hierbei handelt es sich um rechtsstaatliche Grundsätze, welche sich aus dem Grundgesetz ergeben.
Nach wie vor gibt es in der seitens der Behörde vorgelegten Akte Unstimmigkeiten, sodass wir davon ausgehen, dass nach wie vor keine vollständige Behördenakte im gerichtlichen Verfahren vorliegt. Unserer Rechtsanwaltskanzlei fehlt es an erheblichen und für das Verfahren relevanten Informationen, um die Rechte unserer Mandantin auch umfassend vertreten zu können. Auch dem Verwaltungsgericht fehlt es an einem vollständigen Akteninhalt.
Die Behörde hat im Verfahren bisher bereits erkennen müssen, dass sie nicht berechtigt ist, unserer Mandantin vorab die Kosten für die Unterbringung der Hunde in den Tierheimen aufzuerlegen. Vielmehr muss die Behörde die immensen Kosten für die Unterbringung, welche sich auf mittlerweile über 140.000,00 € belaufen, selbst tragen und zwar solange, bis gerichtlich entschieden wurde, ob die Maßnahmen gegenüber unserer Mandantin rechtmäßig waren.
Abschließende Anmerkung unserer Rechtsanwaltskanzlei:
Gerade wir als im Tierrecht tätigte Rechtsanwältinnen wissen, wie es derzeit um die Tierheime bestellt ist und in welcher gravierenden finanziellen und personellen Situation sich diese befinden – dies auch bereits vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Wir haben diverse und gute Kontakte zu Tierheimen und haben hier größtes Verständnis. Es liegt uns fern, die Schuld bei den Tierheimen zu suchen, welche täglich ihr Bestes für die Tiere geben.
Unser Anliegen ist es, den Behörden bewusst zu machen, was genau es heißt, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu wahren. Die Behörde hält das scharfe Schwert des „Sofortvollzuges“ in den Händen, welches ihr erlaubt, umgehende Anordnungen gegenüber den Bürgern zu treffen, welche sich in dieser Situation zunächst machtlos ausgeliefert sehen. Diese Kompetenz des Sofortvollzuges der Behörden halten wir für sehr wichtig, denn selbstverständlich ist diese erforderlich, um den Tierschutz zu gewährleisten. Im Gegenzug zu dieser sehr einschneidenden Kompetenz des Staates sind jedoch höchste Anforderungen an die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu stellen, welcher die Grundrechte des Bürgers schützt.
An dieser Stelle möchten wir eine Äußerung eines Tierheimleiters gegenüber der Presse aus dem hiesigen Verfahren aufgreifen und zitieren. Dieses zeigt anschaulich, in welcher prekären Situation sich die Tierheime befinden, da sie scheinbar in solchen Sicherstellungsverfahren von den Kommunen und Städten nicht hinreichend finanziell unterstützt werden. Es hat den Anschein, dass sich die Tierheime zunächst aus eigenen Mitteln über Wasser halten müssen.
„Es kann passieren, dass wir oder die Tierheime irgendwann dann sagen wir machen da nicht mehr mit. Wir werden irgendwann unsere Verträge mit den Kommunen so abändern, dass wir beschlagnahmte Tiere nicht mehr annehmen. So und dann können sie die Tiere auf dem Rathausplatz parken und dann schauen wir mal wie schnell das dann geht.“
Neben unserem großen Verständnis für die Situation der Tierheime, ist es uns jedoch ein großes Anliegen, folgendes zu vermitteln: Es ist das rechtstaatlich verankerte Recht unsere Mandantin und auch eines jeden Bürgers, Anordnungen von Behörden gerichtlich mit Hilfe eines juristischen Beistandes überprüfen zu lassen. Es entspricht der Rechtslage, dass die Behörde solange die Kosten für die Unterbringung von fortgenommenen Tieren zu tragen hat, bis endgültig feststeht, dass ihre Maßnahmen rechtmäßig waren. Hierbei handelt es sich um den einzigen Schutz des Bürgers gegenüber dem scharfen Schwert des Sofortvollzuges, welches den Behörden zusteht. Wäre es der Behörde möglich, den Betroffenen bereits im Voraus die entstehenden Kosten aufzuerlegen, so würden die Rechte der Betroffenen vollumfänglich und bereits zu Beginn des Verfahrens an ausgehöhlt und vollständig ausgeschlossen. Denn müsste der jeweilige Bürger – um auf den hiesigen Fall unserer Mandantin zurückzukommen - bereits vorab einen Betrag in Höhe von 140.000,00 € zahlen, welcher stetig weiter steigt, so wäre ein Rechtsschutz nahezu ausgeschlossen und ein jeder Bürger wäre gezwungen, umgehend das Eigentum an seinen Tieren aufzugeben, um weiter ansteigende Kosten zu vermeiden und seine wirtschaftliche Existenz vor dem Ruin zu bewahren. Dies würde dann das gesamte gerichtliche Verfahren hinfällig werden lassen und die Rechte der Bürger gegenüber der Verwaltung aushebeln.
Wir werden weiter über diesen Fall berichten, denn in unserem Kanzleialltag befassen wir uns täglich mit Fällen, in denen die Behörden über die gesetzlichen Stränge schlagen und vermuten lassen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nur in der Theorie besteht und oft keinen Eingang in die tatsächliche Praxis findet.