Update vom 28.02.2020
„Amtliches Todesurteil für Rottweiler Zeus trotz bestandenem Wesenstest“
Vorbemerkung
Es handelt sich um einen äußerst komplexen Sachverhalt. Der nachfolgende sehr ausführliche Beitrag geht auf juristische Details zu unserem Fall ein.
Durch unsere Berichterstattung in den letzten Tagen kamen einige Fragen auf. Wir möchten an dieser Stelle mitteilen, dass wir es für sehr wichtig und darüber hinaus für unerlässlich halten, dass die Öffentlichkeit Informationen, die sie erhält, kritisch hinterfragt. Dies macht unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat aus.
An dieser Stelle werden wir auf viele Fragen eingehen und über weitere Details aus dem Verfahren berichten.
Thema: gerichtliche Beschlüsse
Wie wir bereits mitteilten, befinden wir uns in einem laufenden Verfahren, sowohl vor der Widerspruchsbehörde als auch vor den zuständigen Gerichten. Das Verfahren seit dem Vorfall – dem Anspringen des alten Mannes durch Zeus - dauert nunmehr knapp über zwei Jahre an.
Es liegen bereits diverse Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts in diesem Fall vor, welche die Tötung von Zeus trotz der Expertenmeinungen der Sachverständigen im Hundewesen, über welche wir bereits berichteten, aufrechterhielten und -erhalten.
Diese Beschlüsse wurden von uns gerade nicht hingenommen, vielmehr befindet sich ein laufendes Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht; die Entscheidung des Gerichts steht aus.
Bei dem von uns eingereichten Antrag an das Verwaltungsgericht handelt es sich um einen Antrag auf Abänderung der bestehenden Entscheidung in Form eines Beschlusses aus dem Jahr 2018.
Um Ihnen diese Art unseres Vorgehens und des Verfahrens zu erläutern, möchten wir Ihnen an dieser Stelle einige juristische Details an die Hand geben. Diese sind unerlässlich, wie es dazu kommen kann, dass ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren über 1,5 Jahre andauert.
Das Gesetz schreibt vor, dass Beschlüsse, welche in einem Eilverfahren erlassen wurden, jederzeit aufgrund veränderter Umstände auf Antrag des Betroffenen abgeändert oder aufgehoben werden können (§ 80 Abs. 7 VwGO). Gegenstand des Verfahrens ist dann die Prüfung, ob eine zuvor im Eilverfahren getroffene Entscheidung eines Gerichts – wie hier der im Jahr 2018 durch das zuständige Verwaltungsgericht in Sachsen erlassene Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO – ganz oder teilweise geändert werden soll.
Unser aktueller Antrag auf Abänderung des Beschlusses aus dem Jahr 2018 wurde durch das zuständige Verwaltungsgericht abgelehnt. Gegen diesen ablehnenden Beschluss befinden wir uns derzeit in einem Beschwerdeverfahren vor dem zuständigen Oberverwaltungsgericht.
Besonderheiten im Eilverfahren
Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass es in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren einige Besonderheiten im Vergleich zu anderen Verfahren zu beachten gibt. Zur Einleitung eines Eilverfahrens kommt es unter anderem, wenn eine Behörde in einer Verfügung die sofortige Vollziehung ihres Bescheides im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anordnet.
Möglicherweise haben Sie selbst schon einmal eine Verfügung erhalten, in welcher die Behörde die sofortige Vollziehung anordnete. Für den Betroffenen bedeutet dies, dass er oder sie sich an die Anordnungen der Behörde ab Erhalt der Verfügung halten muss. Juristisch spricht man davon, dass der Widerspruch oder die Klage, die man gegen die Verfügung einlegt, keine sog. aufschiebende Wirkung hat. Das bedeutet, dass selbst bei einem Vorgehen gegen die Verfügung, eine Verpflichtung besteht, den Anordnungen Folge zu leiten, bis über die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns (der Verfügung) entschieden wurde. Im Hinblick auf die Überlastung der Gerichte kann dieser Zustand bis zu einigen Jahren andauern.
In dem hier aktuellen Fall von Zeus wurde für unsere Mandanten Widerspruch bei der zuständigen Behörde gegen die Einstufung als gefährlichen Hund und Tötungsanordnung eingelegt. Die Behörde hatte in der Verfügung über die Tötung die sofortige Vollziehung angeordnet, was bedeutet, dass Zeus innerhalb von zwei Wochen getötet werden sollte, unabhängig davon, dass unsere Mandanten gegen die Verfügung der Behörde vorgingen.
Die Tötung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung sollte durchgeführt werden, ohne den Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens abzuwarten. Dies ist die Folge des juristischen Instruments bzw. dem der Behörde kraft Gesetzes eingeräumten Recht, in Ausnahmefällen die sofortige Vollziehung einer Verfügung anzuordnen.
Aus diesem Grund wurde ein Eilverfahren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Sachsen für unsere Mandanten und Zeus eingeleitet. Aufgrund unseres aktuellen Abänderungsantrages dauert dieses von 2018 bis heute an.
Thema: Sachverhaltsermittlung und behauptete Vorfälle
Wir möchten an dieser Stelle noch einmal herausstellen, dass weder unsere Mandanten noch unsere Kanzlei den Vorfall mit dem älteren Herrn, der gestürzt war, beschönigen. Wir haben explizit darauf hingewiesen und berichtet, dass dieser sich erhebliche Verletzungen aufgrund des Sturzes zugezogen hatte.
Zu beachten ist, das in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren aufgrund der Eilbedürftigkeit keine Beweisaufnahme stattfindet. Das bedeutet, dass nicht – wie in einem Hauptsacheverfahren – Zeugen oder Sachverständige befragt und anderweitig Beweise erhoben werden. Vorliegend wurde durch die Gerichte auf Grundlage der behördlichen Verwaltungsakte und der darin enthaltenen Sachverhaltsschilderungen entschieden.
Auf den Inhalt dieser behördlichen Verwaltungsakte gehen wir im Folgenden ein:
Der alte Herr wurde von Zeus nicht gebissen
Klarzustellen ist, dass Zeus den alten Herrn ausschließlich angesprungen hatte. Die schweren Verletzungen entstanden durch den Sturz auf das Gesicht infolge des Anspringens durch Zeus.
Zeus sprang an dem alten Herrn von vorne seitlich hoch, sodass der ältere Mann nach vorne hin überfiel und auf sein Gesicht stürzte. Ausweislich der eigenen Zeugenaussage des alten Mannes, welche von dessen Sohn (Polizist) aufgenommen worden war, hatte Zeus diesen nur angesprungen. Diese von dem Sohn des Geschädigten für diesen verfasste und abgegebene Aussage liegt uns in schriftlicher Form vor.
Angebliche weitere Vorfälle mit Zeus
Die Enkelin des geschädigten alten Mannes wurde seitens des zuständigen Behördenmitarbeiters angesprochen, dass es dienlich wäre, auch Hinweise auf konkrete Vorfälle mit dem Rottweiler-Rüden in der Vergangenheit seitens der unmittelbaren Nachbarschaft und Betroffener zu erhalten.
Denn es gab bis zu diesem Zeitpunkt keine aktenkundigen Vorfälle mit Zeus.
Es wurde ihr nachweislich mitgeteilt, dass zwar im Rahmen von Anrufen auf Vorfälle Bezug genommen werde, dass sich alle Anrufer jedoch mit konkreten, rechtlich verwertbaren Aussagen leider bedeckt halten würden. Weiterhin wurde ihr von dem zuständigen Sachbearbeiter mitgeteilt, dass so leider nur die Verwertung behördenbekannter Vorgänge möglich sei. Auch dies liegt unserer Kanzlei in schriftlicher Form vor. Behördenbekannter Vorfall war zu diesem Zeitpunkt ausschließlich das Anspringen ihres Großvaters durch Zeus.
In der Folge wurden durch den Sohn (Polizist) des Geschädigten zwei weitere Vorfälle an die mit dem Fall Zeus befasste Behörde gemeldet. Diese gemeldeten Vorfälle, die zuvor nachweislich nie zur Kenntnis der Behörde gebracht wurden, wurden dann – zusätzlich zu dem Anspringen - der Tötungsanordnung zugrunde gelegt und diese damit begründet. Unter anderem war es nach den Aussagen des Sohnes (Polizist) des Geschädigten dazu gekommen, dass Zeus dessen Hund drei Jahre zuvor gebissen haben soll.
An dieser Stelle kommt die oben geschilderte prozessuale Besonderheit verwaltungsgerichtlicher Eilverfahren, nämlich der Umstand, dass keine Beweisaufnahme durchgeführt wird, zum Tragen.
Das bedeutet, dass die im Nachgang durch den Sohn (Polizist) des Geschädigten gemeldeten angeblichen Vorfälle nicht im Rahmen einer Beweisaufnahme durch die Gerichte überprüft wurden. Es kam daher also weder vor der Behörde vor Erlass der Verfügung noch vor den Gerichten zur Anhörung etwaiger Zeugen oder Befragung von Sachverständigen. Die Tötungsanordnung wurde im Eilverfahren weiterhin bekräftigt und aufrechterhalten.
Wie bereits geschildert, befinden wir uns diesbezüglich in einem laufenden Eilverfahren, in welchem eine Entscheidung in Kürze erwartet wird.
Unsere Aufgabe als Rechtsanwaltskanzlei im Hinblick auf den Sachverhalt
Unserer Aufgabe als Anwältinnen ist es in verwaltungsrechtlichen Mandaten, den der Behörde zugetragenen Sachverhalt anhand der behördlichen Akte zu sichten und auszuwerten. Im Nachgang unserer Überprüfung der Verwaltungsakte ist es unsere Aufgabe, der Behörde die Sicht und Wahrnehmungen unserer Mandanten und weiterer Zeugen darzulegen. Denn hier kommt es nahezu in jedem Fall zu einer uneinheitlichen Sachverhaltswahrnehmung. Unsere Aufgabe ist es, der Behörde und den Gerichten aufzuzeigen, weshalb die Wahrnehmungen unserer Mandanten entscheidungserheblich sind und zu einer Änderung des bisherigen Akteninhalts führen und somit Einfluss auf das weitere behördliche Vorgehen haben müssen.
Im Fall Zeus wurden die einzelnen weiteren Vorfälle, welche die Behörde zur Grundlage der Tötungsanordnung machte, nachweislich ausschließlich durch den Sohn des Geschädigten an die Behörde zur Kenntnis gebracht. Hierbei ist dringend zu beachten, dass diese Vorfälle, welche Jahre zurücklagen, von der Behörde ungeprüft übernommen und als weitere Vorfälle mit Zeus zur Grundlage der Behördenakte gemacht und die Tötungsanordnung auch auf diese gestützt wurde.
Die nachträglich vorgebrachten Vorfälle wurden somit weder im Hinblick auf den tatsächlichen Sachverhalt noch im Hinblick auf das jeweilige Hundeverhalten geprüft. Es wurde nicht hinterfragt, ob beispielsweise auch ein artgerechtes Verhalten der Hunde in den nachträglich bekanntgemachte Vorfällen vorgelegen haben könnte.
Dass diese behaupteten Vorfälle das Todesurteil von Zeus stützten und zusätzlich begründen sollten, konnte und musste von unseren Mandanten nicht befürchtet werden. An dieser Stelle kommt wieder die generelle Bedeutung unseres Falles für jeden Hundehalter zum Tragen. Denn dies führt dazu, dass ein vorher bei der Behörde unbekannter Hund, unter Bezugnahme auf ungeprüfte Vorfälle, die nachträglich von etwaigen Zeugen vorgebracht wurden, getötet werden könnte.
Weitere Details zur behördeninternen Abstimmung im Hinblick auf die Tötung von Zeus
Wir hatten bereits mitgeteilt, dass bereits vor Erlass der Tötungsanordnung und auch vor Inaugenscheinnahme des Hundes durch den Amtstierarzt eine behördeninterne Absprache bezüglich der anzuordnenden Rechtsfolge vorlag.
Aus einer behördeninternen E-Mail, welche einen Tag vor Inaugenscheinnahme des Hundes durch den Amtstierarzt geschrieben wurde, ergibt sich folgender Satz:
„Wir beabsichtigen den Rottweiler als gefährlichen Hund einzustufen mit der Folge das Tier einzuschläfern. Herr XXX hat sich bereits mit Herrn Dr. XXX [Anmerkung der Redaktion: dem Amtstierarzt] zwecks weiterer Herangehensweise abgestimmt. Morgen erfolgt Vor-Ort eine gemeinsame Besichtigung des Hundes.“
Das entsprechende Schriftstück aus der behördlichen Akte liegt uns vor.
Nach der Inaugenscheinnahme des Hundes durch den Amtsveterinär wurde behördenintern mitgeteilt, dass der Amtsveterinär an der Tötung von Zeus festhält und ein entsprechendes Gutachten für die Behörde fertigt:
„Dr. XXX [Anmerkung der Redaktion: Amtstierarzt] will an der Euthanasierung des Rottweilers festhalten, da er keine andere Alternative für den Hund sieht, er sei definitiv zu gefährlich für eine weitere Haltung, ganz gleich welcher Art, alles Andere ist aus seiner Sicht nicht verantwortbar. Dr. XXX [Anmerkung der Redaktion: Amtstierarzt] fertigt diesbezüglich für uns ein entsprechendes Gutachten.“
Auch dies ergibt sich nachweislich aus der uns vorliegenden Behördenakte.
Hieraus ergibt sich, dass Zeus nie eine Chance hatte.
Mildere Mittel, wie beispielsweise die Auflage eines Leinen- oder Maulkorbzwangs, zumindest bis zu einer Entscheidung über die Einstufung von Zeus als gefährlichen Hund und Durchführung einer Beweisaufnahme vor Gericht, wurden von der handelnden sächsischen Behörde nie in Betracht gezogen.
Aktueller Verfahrensstand:
Wir weisen nochmals darauf hin, dass die Verfügung über die Einstufung und Tötung von Zeus nicht bestandskräftig ist. Gegen diese befinden wir uns in einem laufenden Widerspruchsverfahren und in gerichtlich Verfahren. Zum einen ist vor dem zuständigen Verwaltungsgericht eine sog. Untätigkeitsklage anhängig, da die zuständige Behörde seit über einem Jahr nicht über den Widerspruch entscheidet. Zudem befinden wir uns – wie bereits erläutert – in einem gerichtlichen Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht. In den gerichtlichen Verfahren wird derzeit unter anderem über die Befangenheit eines Richters und die Verzögerung des Verfahrens zu entscheiden sein.
Die sächsische Behörde hatte in dem laufenden Eilverfahren gegenüber dem Oberverwaltungsgericht zugesagt, bis längstens zum 29. Februar 2020 von einer Vollstreckung in Form der Tötung abzusehen. Dies bedeutet, dass mit Ablauf des 29. Februar 2020 die Tötung von Zeus unmittelbar droht.
Wir warten auf eine Entscheidung (Beschluss) des Oberverwaltungsgerichts im Eilverfahren. Unserem Antrag auf Erlass einer Zwischenentscheidung (sog. Hängebeschluss) bis zu einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über unsere Beschwerde, wurde bisher nicht nachgekommen. Sollte ein solcher Beschluss nicht vor Morgen ergehen, ist Zeus sozusagen „vogelfrei“ und die Behörde könnte vollstrecken.
Wie wir bereits berichtet hatten, befindet sich Zeus in einem anderen Bundesland. Es liegt bereits ein Amtshilfegesuch der sächsischen Behörde auf Vollstreckung im anderen Bundesland vor, was bedeutet, dass die Vollstreckung – also die Tötung von Zeus – jetzt auch bundeslandübergreifend durchgesetzt werden soll.
An der Tötung hält die sächsische Behörde somit weiter fest. Wir haben bereits das Bundesland Brandenburg aufgefordert, das Amtshilfegesuch zu verweigern. Auch hier steht eine Rückmeldung aus.