Update vom 02. Dezember 2020

zum Fall „Rottweiler Zeus – amtliches Todesurteil für den Hund mit bestandenem Wesenstest“


Nach nunmehr über 2,5 Jahren hat im Fall Zeus letzte Woche endlich ein Termin vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz stattgefunden. Zusammen mit der Familie von Zeus und einer der öffentlichen bestellten und anerkannten Sachverständigen im Hundewesen, welche mit dem Fall betraut ist, haben wir uns bei Gericht zu einem Erörterungstermin eingefunden. Auch anwesend waren drei Personen des Landratsamt Erzgebirgskreises – der Behörde, die die hier streitgegenständliche Tötung von Zeus unter Anordnung der sofortigen Vollziehung im Jahr 2018 verfügt hatte und daran festhält.



Was ist ein Erörterungstermin?

Bei einem Erörterungstermin handelt es sich um ein vorbereitendes Verfahren vor und im Hinblick auf die mündliche Hauptverhandlung, in welcher es dann zu einer Beweisaufnahme kommen kann. Es wird besprochen, ob und in welchem Umfang eine Beweisaufnahme nötig ist und durchgeführt werden soll oder ob gegebenenfalls auch eine vergleichsweise Regelung in Betracht kommt.


Errungenschaft in diesem Verfahren

Die „Krux“ im hiesigen Verfahren war, dass im Bundesland Sachsen eine Gefährlichkeit nur bei sog. vermutet gefährlichen Hunden („Listenhunden“) widerlegt werden kann, jedoch nicht bei Hunden, deren Gefährlichkeit im Einzelfall von der Behörde aufgrund eines Vorfalls festgestellt wurde.


Folge dieser landesrechtlichen Regelung in Sachsen ist, dass eine Behörde einen Hund – wie im Fall von Zeus – aufgrund eines Vorfalls als gefährlich einstufen darf, ohne dass der Hund jemals begutachtet werden müsste und eine sodann durchgeführte Wesensprüfung die Gefährlichkeit auch nicht mehr beseitigen kann.


Dies stellt einen gewichtigen Unterschied zu anderen Bundesländern dar, in welchen die Behörde zur Prüfung, ob sie die Einstufung eines Hundes überhaupt verfügt, zunächst einen Wesenstest anordnet, um die Gefährlichkeit überhaupt beurteilen zu können und zu prüfen ob eine solche Einstufung als gefährlich überhaupt nötig ist. Der Vorfall ist in manchen anderen Bundesländern somit lediglich der Anlass, welcher das Einstufungsverfahren in Gang setzt, rechtfertigt aber nicht per se eine Einstufung des jeweiligen Hundes.


Der Fall von Zeus zeigt anschaulich, dass das Landesrecht in Sachsen hier zu theoretisch ist und der Realität nicht gerecht wird. Denn unter welchem Gesichtspunkt könnte es gerechtfertigt sein, einen Hund nicht einmal begutachten zu müssen und sodann den Haltern die Euthanasierung binnen zwei Wochen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuerlegen, wenn der Hund im Nachhinein einen Wesenstest besteht? Nach unserer Auffassung und insbesondere unter Beachtung des Tierschutzgesetzes kann es hierfür keine Rechtfertigung geben.


Im Verfahren von Zeus hatte auch die Rechtsabteilung des Deutschen Tierschutzbund e.V. auf unsere Eingabe hin eine Stellungnahem abgegeben und ebenfalls mitgeteilt, dass dieses ungeprüfte Vorgehen nicht hinreichend sein kann, um eine derart gravierende Anordnung wie die sofortige Tötung eines Hundes zu rechtfertigen.



So führt der Deutsche Tierschutzbund e.V. unter anderem aus:

„Eine umfassende Einschätzung und Beurteilung eines auffällig gewordenen Hundes, der aufgrund seines Verhaltens eine Person schwer verletzt hat, bedarf einer eingehenden fachlichen Überprüfung durch einen Verhaltensspezialisten. Dies kann ein*e Fachtierarzt*tierärztin für Verhaltenskunde, ein*e Tierarzt*Tierärztin mit der Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie oder ein Biologe*in mit der Fachrichtung Ethologie sein. Ziel der umfassenden Einschätzung ist die Feststellung der Ursache für das gezeigte Verhalten (Verhaltensauslöser) sowie eine fachlich fundierte Einschätzung zur Prognose einer möglichen Verhaltensänderung.“

 

Notwendig ist eine “Eingehende Begutachtung des Tieres über einen längeren Zeitraum durch einen Verhaltensspezialisten. Nur so kann eine fachlich korrekte Einschätzung des Tieres in verschiedenen Situationen vorgenommen werden. Zu Beginn der eingehenden Begutachtung muss ein Lerntest erfolgen, um eine mögliche Sedation des Hundes ausschließen zu können. Zudem sollte die Frustrationstoleranz des Tieres getestet werden.

 

Dieses abgestufte Vorgehen fand im Vorfeld der Euthansieanordnung des Rüden „Zeus" nicht statt. Aufgrund dessen kann keine wissenschaftlich fundierte Aussage über die Ursache für das gezeigte aggressive Verhalten gemacht, sowie keine realistische Prognose gestellt werden.

 

Die Euthanasie eines verhaltensauffälligen Hundes ist aus Tierschutzsicht nur in Ausnahmefällen erst nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten gerechtfertigt: Bei Tieren, die eine starke, nicht behebbare, konstante Verhaltensstörung zeigen, und deren Weiterleben mit schweren Leiden verbunden wäre, oder bei Tieren, die infolge abnormer und nicht behebbarer Verhaltensstörungen eine akute Gefahr für sich und ihre Umwelt darstellen.

 

Wenn alle verhaltenstherapeutischen Maßnahmen, diese Tiere an ein Leben mit Menschen oder unter Artgenossen zu gewöhnen, fehlgeschlagen sind und die Einschaltung von Sachkundigen nicht erfolgreich war, muss die Entscheidung über die Euthanasie von einer Kommission getroffen werden (vgl. Tierheimordnung des Deutschen Tierschutzbundes).

 

Die Einschätzung des Rüden „Zeus" durch die zuständige Behörde, welche die Grundlage der Euthanasieanordnung darstellt, ist aus fachlicher Sicht nicht haltbar und somit ermessensfehlerhaft. Sie stellt insbesondere mangels der Abklärung entsprechender Alternativen einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Laut § 1 Satz 2 TierSchG i.V. m. § 17 Nr. 1 TierSchG darf niemand ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund töten.

 

Insbesondere bei der Euthanasie aus Verhaltensgründen gilt der Grundsatz, dass sie nur als „letzte in Betracht kommende Maßnahme" veranlasst werden darf. Zuvor müssen mildere therapeutische Mittel (Management, Verhaltenstherapie, Halterwechsel) vergeblich angewandt worden sein und als Ergebnis feststehen, dass der Aggressionstrieb des Hundes unheilbar und auch nicht sozialadäquat verminderbar ist.“


Die Auffassung des Amtstierarztes, eine Verhaltensstörung eines Tieres könne mit einer bloßen kurzen Inaugenscheinnahme von wenigen Minuten – veranschaulichend gesagt „mit einem Blick auf das Tier“ – entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst (lege artis) diagnostiziert werden, ist nachweislich unzutreffend. Allein aufgrund einer solchen unzureichenden Einschätzung darf eine Tötung im Sofortvollzug nicht angeordnet werden. Fakt ist: Die Tötung wäre jedoch aufgrund der bloßen unzutreffenden kurzen Inaugenscheinnahme erfolgt, wenn nicht immer fortwährend weitere juristische Schritte eingeleitet worden wären und unsere Mandanten nicht derart eisern für ihren Zeus und Gerechtigkeit kämpfen würden.


Das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen hat im hiesigen Verfahren entschieden, dass im Fall Zeus – damit also auch bei Hunden, deren Gefährlichkeit im Einzelfall durch die Behörde festgestellt wurde – die Gefährlichkeit ebenfalls widerlegt werden kann.


Im hiesigen Verfahren hat dies zur Folge, dass sich das Gericht durch einen weiteren Gutachter, einen aktuellen eigenen Eindruck von Zeus machen wird und dann entscheiden wird, ob es aktuell die Einstufung von Zeus als gefährlichen Hund aufrechterhält. Sollte Zeus den Wesenstest – erneut – bestehen, spricht dies für eine Rechtswidrigkeit der Verfügung, mit welcher die Behörde Zeus als gefährlich eingestuft und eine generelle Haltungsuntersagung für Jedermann, einhergehend mit dessen sofortiger Tötung als logische Konsequenz angeordnet hatte.



Wie geht es weiter?

Das Verwaltungsgericht hat noch einmal darauf hingewiesen, dass eine Tötung von Zeus nicht mehr in Betracht kommt. Dies spätestens seit dem Zeitpunkt, ab dem die Landesdirektion Sachsen als Widerspruchsbehörde nach Veröffentlichung der gesamten Angelegenheit entschied, dass alternativ zur sofortigen Tötung eine dauerhafte Unterbringung von Zeus in einem Tierheim in Betracht kommt. Insofern zeigte die Widerspruchsbehörde selbst auf, dass es Alternativen zu einer sofortigen Tötung sehr wohl gibt. Das Landratsamt Erzgebirgskreis hatte die sofortige Tötung als von Anfang an alternativlos dargestellt. Dies dürfte nunmehr widerlegt sein. Sollte die Familie von Zeus sich jedoch einer dauerhaften Unterbringung im Tierheim widersetzen, hält auch die Landesdirektion Sachsen als Widerspruchsbehörde weiter an der Tötung von Zeus fest. Hiergegen wird das Verfahren weitergeführt


Zwar stellt das Verfahren bereits an dieser Stelle eine große Errungenschaft dar, denn die Tötung von Zeus konnte verhindert werden. Für die Familie von Zeus und alle Personen, welchen ihn bei der bisherigen Reise kennenlernen durften, stellt dies eine große Erleichterung dar. Dennoch ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen, denn Zeus befindet sich nach wie vor getrennt von seiner Familie in einem Tierheim und über ihm schwebt nach wie vor das Schwert der Tötungsanordnung für den Fall, dass er aus dem Tierheim herausgeholt werden sollte.


Zeus ist mittlerweile mit fast zehn Jahren ein Senior. Unser größtes Anliegen ist es daher nunmehr, dass Zeus zurück nach Hause zu seiner Familie kehren und dort den Rest seines „Opa-Daseins“ verbringen darf Dies umso mehr, als Zeus sich seit nunmehr ca. zwei Jahren im Tierheim befindet und seine Familie sämtliche Anstrengungen unternimmt, um sein Leben zu retten und ihn nach wie vor nahezu jede Woche besucht.


Wir wollen an dieser Stelle ein Bewusstsein dafür schaffen und noch einmal verdeutlichen, welche Folgen es haben kann, wenn eine Behörde die Einstufung eines Hundes als gefährlich verfügt und entsprechende Maßnahmen als sofort vollziehbar anordnet. Die einzelnen Sachbearbeiter der Behörden halten hier ein äußerst scharfes Schwert in der Hand, welches – gerade im Fall einer sofortigen Tötung – ungeprüft unumkehrbare Tatsachen schaffen kann. Dieser Verantwortung sollte sich jeder Behördenmitarbeiter bewusst sein, wenn er zu solchen drastischen und unumkehrbaren Maßnahmen greift.