Reitturnier
Verkehrssicherungspflichten eines Grundstückeigentümers und Veranstalters eines Reitturniers gegenüber Kindern
BGH, Urteil v. 19.01.2021 – Az.: VI ZR 194/19
Der Bundesgerichtshof hatte sich vorliegend damit zu beschäftigen, ob ein Veranstalter eines Reitturniers auf seinem Vereinsgelände für Schäden haftet, die ein Kind erleidet, das unbemerkt in einen auf dem Vereinsgelände abgestellten Pferdetransporter gelangt und dort durch einen Pferdehuf am Kopf getroffen und schwer verletzt wurde.
Mit Urteil vom 19. Januar 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass in diesem konkreten Fall keine Haftung des Veranstalters des Reitturniers, welcher Eigentümer des Vereinsgrundstücks ist, besteht.
Voraussetzungen für die Haftung - Umfang der Verkehrssicherungspflichten
In diesem Zusammenhang äußerte sich der Bundesgerichtshof ausführlich zu den Voraussetzungen zur Annahme einer solchen Haftung. Insbesondere führte er aus, dass derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer Personen möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst dabei diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt.
Durch einen Verkehrssicherungspflichtigen kann jedoch nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden, denn eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.
Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten sind.
Im hiesigen Fall entschied der BGH, dass der Veranstalter des Reitturniers keine Vorkehrungen dafür treffen musste, um zu verhindern, dass Kleinkinder in den Pferdeanhänger der Turnierteilnehmerin gelangten. war darf sich ein Grundstückseigentümer nicht darauf verlassen, dass sich Kinder nicht unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben, wenn dieser Gefahrenbereich besonderen Anreiz für den kindlichen Spieltrieb bietet und damit verbundene Gefahren für ein Kind nicht ohne weiteres erkennbar sind.
Keine unzumutbaren Anforderungen
Vielmehr muss jeder Grundstückseigentümer wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen, wenn ihm bekannt ist oder sein muss, dass sie sein Grundstück zum Spielen benutzen, und die Gefahr besteht, dass sie sich an den dort befindlichen gefährlichen Gegenständen zu schaffen machen und dabei Schaden erleiden können. Allerdings darf sich der Verkehrssicherungspflichtige in gewissem Umfang darauf verlassen, dass die für ein Kind Verantwortlichen ein Mindestmaß an sorgfältiger Beaufsichtigung wahrnehmen.
Der Veranstalter des Reitturniers durfte sich daher unter den Umständen des vorliegenden Falles darauf verlassen, dass Kleinkinder auf der Veranstaltung so beaufsichtigt werden, dass sie jedenfalls nicht in abgestellte Pferdeanhänger oder -transporter von Turnierteilnehmern gelangen können.
Der Bundesgerichtshof äußert sich in diesem Zusammenhang auch zu dem Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige, sodass das Urteil auch unter diesem Gesichtspunkt interessant ist.